AHA vs. ERC – Alles anders?!

Bereits im letzten Jahr wurden durch die American Heart Association die neuen Leitlinien veröffentlicht. Im März kam dann die Veröffentlichung der europäischen Leitlinien dazu. Aber was ist nun besser? Welche Unterschiede gibt es überhaupt? Wir setzen euch die beiden mal in einen Vergleich. Dabei nehmen wir besonders Bezug auf die präklinische Reanimation und post-Reanimationsbehandlung durch den Rettungsdienst.

Die Zusammenfassung der AHA-Leitlinien findet ihr unteranderem hier: https://skillqube.com/aha-guidelines-2020-2/

Die ERC-Leitlinien gibt es aktuell im gewohnten Kompaktformat hier:
https://www.grc-org.de/wissenschaft/leitlinien
Die deutsche Übersetzung der kompletten Leitlinie wird in der nächsten Ausgabe der Notfall- und Rettungsmedizin vom Springer Verlag erscheinen.

Der Grundstock der beiden Leitlinien unterscheidet sich in der Priorisierung kaum. Beide Leitlinien befassen sich mit dem frühzeitigen erkennen und dem frühzeitigen Beginn einer guten Thoraxkompression. Dabei wird bei beiden Leitlinien empfohlen mit der Reanimation zu beginnen, wenn ein Kreislaufstillstand vorliegen könnte. In den ERC-Leitlinien wird dieses etwas genauer beschrieben. „Beginnen Sie mit CPR bei jeder Person, die nicht reagiert und nicht bzw. nicht normal atmet.“ Die Gefahr einer Schädigung bei einer nicht indizierten Reanimation durch den Ersthelfer sind gering. Laienhelfer können häufig nicht verlässlich eine Pulslosigkeit feststellen.

„Rettungskette“ Präklinischer Kreislaufstillstand aus den AHA-Leitleinien

In der Thoraxkompression sind sich beide Leitlinien einig. Der Druckpunkt bleibt unverändert die Mitte des Brustkorbs und wir sollen 5 – 6 cm tief drücken, bei einer Frequenz von 100 – 120/min. Auch die vollständige Entlastung bleibt weiterhin ein Merkmal der „High-Quality-CPR“ in beiden Leitlinien. Die AHA-Leitlinie empfiehlt dabei eine audiovisuelle Rückmeldung in Echtzeit, zur Echtzeitoptimierung der Thoraxkompression. Einig sind sich beide Leitlinie auch in der Verwendung von mechanischen Geräten zur Thoraxkompression. Diese können verwendet werden, wenn eine „High-Quality-CPR“ manuell nicht praktikabel ist oder die Sicherheit des Personals nicht gegeben ist (Reanimation während Transport).
Die durchgängige Thoraxkompression bleibt weiterhin im Vordergrund und ein AED soll von einem weiteren Helfer zugeführt werden. Beide Leitlinien erachten die Telefonreanimation und die Einbindung digitaler Systeme für eine frühzeitige Ersthelfer-Alarmierung als sinnvoll für ein verbessertes Reanimationsergebnis.

Wie sieht es denn nun mit unseren erweiterten Maßnahmen für den Rettungsdienst aus?

Algorithmus zur Behandlung eines Herzstillstands bei Erwachsenen – AHA-Leitlinie
Advances Life Support – ERC-Leitlinie 2021

Defibrillation

Auf den ersten Blick gibt es erstmal keinen riesigen Unterschiede. Weiterhin bleibt die Defibrillation nur bei hyperdynamen Kreislaufstillständen. Dabei soll bei beiden Leitlinien die Pause für die Thoraxkompression so gering wie möglich gehalten werden. Die frühe Defibrillation hat in beiden Leitlinien einen hohen Stellenwert.
Gerade die ERC-Leitlinien nehmen dabei das Vorgehen etwas genauer auf. Während der Ladezeit des AED sollte weiterhin eine Thoraxkompression durchgeführt werden.

Defibrillieren Sie mit minimaler Unterbrechung der Thoraxkompression. Minimieren Sie die Pause vor und nach dem Schock. Sie erreichen, wenn die Thoraxkompression während des Ladens des Defibrillators fortgesetzt und nach der Defibrillation sofort weitergeführt wird, eine Unterbrechung der Thoraxkompression von weniger als 5 Sekunden.

Reanimation 2021 – Leitlinien kompakt – GRC

Weiterhin gilt aber „Hands-off“ bei der Schockabgabe.
Für trainierte Teams wird ein „Precharging“ als gute Möglichkeit dargestellt. So soll für die manuelle Defibrillation das Gerät während der Thoraxkompression geladen werden. Dadurch verringert sich die No-Flow-Zeit. Jedoch ist dabei verstärkt auf die Sicherheit des Rettungsteams zu achten.
So sehen wir auch da kaum unterschiede in der Vorgehensweise.

Die Verwendung von drei Defibrillationen in direkter Folge, soll nur bei einem beobachteten (am Monitor) hyperdynamen Kreislaufstillstand erfolgen, beschreiben es die ERC-Leitlinien.

i.v. oder i.o. ?

Auch hier decken sich die Beiden. Es soll im ersten Versuch ein intravenöser Zugang versucht werden. Eine maximale Zeit, für den Versuch für das etablieren des intravenösen Zugangs, wird dabei nicht gegeben. Sollte ein i.v. Zugang scheitern oder eine Anlage nicht möglich sein, wird der intraossäre Zugang in beiden Leitlinien als Alternative aufgezeigt.

Medikamente

Jetzt finden wir aber endlich einen nennenswerten Unterschied in den Leitlinien! Oder doch nicht? Auch hier sind beide Leitlinien sehr gleich aufgestellt.
Beim nicht defibrillierbaren Rhythmen soll weiterhin so früh wie möglich eine Adrenalingabe erfolgen, und alle 3 – 5 Minuten wiederholt werden. Auch die Dosierung ist gleich und auch unverändert zu den Vorgängerversionen. Wir geben weiterhin 1mg Adrenalin. Die AHA-Leitlinie verweist dabei auf 16 Beobachtungsstudien die einen Zusammenhang bei nicht defibrillierbaren Rhythmen zwischen der frühen Adrenalingabe und einem ROSC darstellen.
Bei defibrillierbaren Rhythmen finden wir in der Adrenalingabe jedoch tatsächlich einen Unterschied. In den AHA-Leitlinien wird die Adrenalingabe bereits nach der zweiten Defibrillation empfohlen. Die ERC-Leitlinie empfiehlt die Gabe von 1mg Adrenalin nach dem dritten Schock.

Im Bereich der Antiarrhythmika sind sich beide Leitlinien wieder recht einig. Die Gabe von Lidocain wird der Gabe von Amiodaron gleich gesetzt. Nach der dritten erfolglosen Defibrillation sollten 300mg Amiodaron oder alternativ 100mg Lidocain (ERC-Leitlinie) über den jeweiligen Zugang verabreicht werden. Die AHA-Leitlinie empfiehlt eine Dosierung beim Lidocain von 1 – 1,5mg/kg Körpergewicht. Eine Repetition findet nach der fünften erfolglosen Defibrillation mit je der halben Dosierung statt. (ERC: 50mg; AHA: 0,5 – 0,75mg/kg KG)

Atemweg und Beatmung

In der ERC-Leitlinie finden wir keine klare Empfehlung zum Bereich Atemwegsmanagement. Dort werden sowohl Masken-Beutel-Beatmung, supraglottischer Atemweg und endotracheale Intubation nicht im Outcome unterschieden.

Airway Management – ERC Leitlinie – ALS 2021

In der AHA-Leitlinie wird ein supraglottischer oder endotrachealer Tubus empfohlen, wenn er durch eine erfahrenen Anwender gelegt wird. Einig sind sich die beiden Leitlinien aber dabei, wenn ein Tubus liegt sollte während laufender Thoraxkompression beatmet werden. Das ganze bei einer Beatmungsfrequenz von 10 Beatmungen die Minute. Beim supraglottischen Tubus soll bei einer entstehenden Leckage auf den „klassischen“ 30:2 Modus gewechselt werden.
Zur Verifizierung und Überwachung der korrekten Lage des endotrachealen Tubus, soll eine Kapnographie oder Kapnometrie verwerdet werden. Die ERC-Leitlinie empfiehlt für die endotracheale Intubation die Verwendung eines Videolaryngoskops. Dabei soll die Thoraxkompression maximal für fünf Sekunden unterbrochen werden.

Reversible Ursachen

In beiden Leitlinien finden die Behandlung der reversiblen Ursachen Erwähnung. Die klassischen 4H´s und HITS finden wir in den ERC-Leitlinien. Die AHA-Leitlinien setzen überwiegend die gleichen reversiblen Ursachen, jedoch etwas anders aufgeschlüsselt und als 5H´s & 5T´s.

Reversible Ursachen – ERC-Leitlinie 2021
Algorithmus zur Behandlung eines Herzstillstands bei Erwachsenen – AHA-Leitlinie 2020

Postreanimationsbehandlung

In der Postreanimationsbehandlung hat sich in beiden Leitlinien nicht viel zu den vorherigen Versionen verändert. Gerne könnt ihr auch dazu unsere Podcast Folge hören.
Postreanimationsbehandlung – Post-ROSC – Die Zwei in Reflexstreifen (die-zwei-in-reflexstreifen.blog)

Postreanimationsbehandlung – ERC Leitlinie 2021

In der Behandlung unterscheiden sich die Leitlinien für den Rettungsdienst nicht nennenswert. Wir befinden uns im Rettungsdienst im Bereich der „sofortigen Behandlung“ in den ERC-Leitlinien bzw. bei den AHA-Leitlinien in der „ersten Stabilisierungsphase“. Dort ist die Behandlung jeweils gleich. Nur der Zielwert des systolischen Drucks ist mit 100mmHg um 10mmHg höher als bei den AHA-Leitlinien.
Eine Unterscheidung gibt es jedoch. Beide Leitlinien empfehlen ein milde Hypothermie in der Postreanimationsbehandlung, jedoch weißt die ERC-Leitlinie darauf hin, dass präklinisch keine Kühlung mit kalten Infusionen begonnen werden soll. In der AHA-Leitlinie wird nur von einem so früh wie möglichen Beginn berichtet. In der Langversion der Leitlinie wird dabei auch Bezug auf eine Studie zur präklinischen Kühlung nach einem Herzkreislaufstill genommen. (https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0300957217306500)
Diese stellt keine signifikante Verbesserung des Outcomes fest, wenn die aktive Kühlung bereits im Rettungsdienst beginnt.

Fazit

Natürlich kann man noch viel mehr Punkte genauer vergleichen und findet dort bestimmt weitere Unterschiede. Jedoch können wir sagen, in der Arbeit für uns als Rettungsdienst, gibt es keine nennenswerte Unterschiede und es zeigt sich, dass die Leitlinien sich sehr ähnlich sind. Die Stellschrauben für eine erfolgreiche Reanimation sind weiterhin ein gutes und trainiertes Team und eine durchgängige hochqualitative Thoraxkompression. Beide Leitlinien setzen dem Training einen hohen Stellenwert und empfehlen ein ein gutes Debriefing nach jedem Training und nach jeder echten Reanimation.

Eine Zusammenfassung der jeweiligen Leitlinien, findet ihr auch bei Jungs von Nerdfallmedizin.

ERC:
Neue Reanimationsleitlinien 2021 (ERC) Zusammenfassung – Nerdfallmedizin.de

AHA:
Neue Reanimationsleitlinien 2020: Zusammenfassung (AHA) – Nerdfallmedizin.de


2 Kommentare zu „AHA vs. ERC – Alles anders?!

  1. Obacht, anders als im Text angegeben, ist der korrekte Druckpunkt in der Mitte des Brustkorbes (nicht Mitte des Sternums) oder mit anderen Worten: auf der unteren Sternum Hälfte.

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