S2k Leitlinie Medikamentensicherheit bei Kindernotfällen

Heute erschien die S2k Leitlinie zur Medikamentensicherheit bei Kindernotfällen der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e.V. Wir haben alles Relevante für den Rettungsdienst zusammengefasst.

Mit knapp 7.000 Todesfällen in den USA, gehören Medikationsfehler zu den bedeutsamsten Bedrohungen für die Patientensicherheit. Kinder sind hierbei besonders gefährdet. Bei Kindern besteht immer eine individuell zu berechnende Dosierung die nicht mit einer Erwachsenendosis zu vergleichen ist. In der Kinderheilkunde trifft man vom Neugeborenen mit 3 Kg Körpergewicht bis zum adipösen Jugendlichen mit 100 Kg Körpergewicht jegliche Alters- und Gewichtsklassen. So kann nicht auf eine „Erwachsenen typischen Dosierung“ (1mg Adrenalin zur Reanimation) zurück gegriffen werden. Die S2k Leitlinie setzt sich als Ziel, die Sicherheit und Qualität der Pharmakotherapie und damit die Patientsicherheit bei Kindernotfällen zu verbessern.

Die Leitlinie richtet sich bewusst an prähospitale und klinische Versorgungsbereiche und Unterscheidet hierbei nicht. Es wird auch vom „Behandelnden“ gesprochen welches Notfallsanitäter und Notarzt im Rettungsdienst-Setting betrifft. Sie betrifft akute Kindernotfälle die einer sofortigen Intervention bedürfen um lebensbedrohliche Zustände zu behandeln.

Die Zielgruppe sind Kinder aller Altersstufen bis zur Pubertät. In Anlehnung an die Leitlinien zur Reanimation des ERC stellt der Eintritt der äußerlich erkennbaren Pubertätszeichen das sinnvollste Kriterium dar, ab dem die gleichen Empfehlungen wie für Erwachsene gelten sollten.

Generell gilt

Im Rettungs- und Notarztdienst sind Kindernotfälle und vor allem diese die lebensbedrohlich sind äußerst selten. Daher fehlt es häufig an Routine und Training. wer Kinder medikamentös behandelt muss pädiatrisch-pharmakologische Kenntnisse haben und Zugriff auf relevante Information haben. Das kann in Form von Apps wie Pedihelp, das Kindersicher-Lineal oder auch als Tabellen und Listen sein. Wenn Zweifel bestehen ist es Hilfreich sich durch telemedizinische oder telefonische Konsultation eines Pädiaters, erfahrenen Notarzt oder auch bei einer Kinderintensivstation die nötigen Informationen zu erfragen. Regionale Strukturen beachten. Bevor man ein Medikament verabreicht sollten folgende Punkte gewissenhaft und mit voller Aufmerksamkeit beachtet werden:

5-R-Regel

Jegliche Verwendung eines Medikaments außerhalb seiner expliziten Zulassung bezüglich der Indikation, Altersgruppe, Dosis und Applikationsweg stellt formal einen Off-Label-Use dar. Sollte der anerkannte Stand der medizinischen Wissenschaft es zulassen (Datenlage zeigt begründete Aussicht auf Behandlungserfolg) dann hat der behandelnde Arzt das Recht und Pflicht, unter den entsprechenden Bedingungen, ein Medikament auch Off-Label-Use zu verwenden.

  • Off-Label-Use soll, so fern möglich, mit den Sorgeberechtigten besprochen werden
  • Off-Label-Use Anwender sollen vigilant gegenüber neuen Erkenntnissen sein
  • Verfügbare, zugelassene und gleichwertige Medikamente sollten bevorzugt werden

Patienten-spezifische Aspekte

Prinzipiell gilt es auch vor/-bei der medikamentösen Therapie von Kindern unterstützende Maßnahmen zu ergreifen. Das beruhigen der Kinder durch die Eltern, dass einnehmen einer Schonhaltung, Lagerung aber auch der Wärmeerhalt sind wichtige Faktoren. Auch das nicht-nutritive Saugen soll, wann immer möglich, zur Beruhigung erlaubt sein.

Insbesondere bei Sedativa und Opioide besteht ein erhöhtes Risiko für eine Atemdepression. Verschiedene Grunderkrankungen können dieses Risiko noch erhöhen.

  • Muskelschwäche, muskulär oder neurologisch bedingt
  • Obstruktionen der Atemwege, obstruktives Schlafapnoe-Syndrom
  • Neurologische Entwicklungsverzögerung oder- einschränkungen
  • Neurodegenerative Erkrankungen
  • Verschiedenste syndromale Erkrankungen
  • Schwieriger anatomische Verhältnisse der Atemwege
  • Nierenfunktionsstörungen

In der Notfallmedizin ist es notwendig, dass einige Medikamente bei ausgeprägter kindlicher Adipositas nach dem Idealgewicht und nicht nach dem gewogenen Gewicht des Kindes dosiert werden, sonst droht schnell eine Überdosierung. Eine Übertherapie soll vermieden werden.

Opioide und Sedativa sollen vorsichtig dosiert werden. Eine engmaschige Überwachung sollte selbstverständlich sein. Die Eskalationsstufen des Atemwegsmanagements müssen beherrscht werden. Unerfahrenen Anwender wird empfohlen eine buccale/intranasale Applikation zu erwägen.

Hilfsmittel, Gewichtseinschätzung, längenbezogene Systeme

  • Die Anwendung von Notfallmedikamenten soll unter der Kenntnis pädiatrisch-pharmakologischer Referenzen unter Zuhilfenahme kognitiver Hilfsmittel erfolgen
  • Vor jeder Therapie soll das Gewicht des Kindes ermittelt und dokumentiert werden
  • Ist ein Wiegen nicht möglich können die Eltern gefragt werden. Auch das Kind selbst kann das, je nach Alter, beantworten.
  • Ist das Gewicht weiterhin unbekannt, soll eine längenbezogene Gewichtseinschätzung erfolgen
  • Längenbezogene Systeme zur Gewichtsschätzung mit Dosisempfehlung sollten v.a. prähospital bevorzugt eingesetzt werden.
  • Das verwendete System (Tabelle, Lineale,) soll dem behandelten Notarzt/Notfallsanitäter bekannt sein und regelhaft beübt werden.
S2K Leitlinie
S2k Leitlinie
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Allgemeine Regeln im Umgang mit Medikamente

An dieser Stelle der Zusammenfassung möchte ich auf den Blogbeitrag „Zieh mal auf“ hinweisen. Dort habe ich bereits Grundlegendes über den Umgang mit Medikamente zusammengefasst. Darunter fallen Grundsätze wie:

  • Closed Loop Kommunikation (in länge oder kürze Fallsensitiv)
  • Feedback geben
  • Teamleiter lenkt bewusst die Aufmerksamkeit auf die Medikamentapplikation
  • Mündliche Verordnungen/Anweisung sind klar, eindeutig und vollständig zu kommunizieren und auch zu dokumentieren
  • Jede An/-Verordnung soll durch alle Beteiligten laut wiederholt und bestätigt werden
  • Verwechslungen durch look-a-likes und/oder sound-a-likes minimieren, es empfiehlt sich eine Separierung im Ampullarium
  • Spritzen sind grundsätzlich deutlich und klar leserlich und nicht abwaschbar zu beschriften
  • Besser ist es Medikamentenaufkleber zu verwenden
  • Beim Aufziehen und Lagern der Spritzen auf Hygiene achten
  • Wenn vorhanden sollten vorgefühlt Fertigspritzen verwendet werden

Qualitätssicherung, CIRS und speaking up

  • nach Möglichkeit sollte die Behandlung von vital bedrohten Kindern durch erfahrene Notfallsanitäter und Notärzte erfolgen, wenig Erfahrenen sollte eine Supervision zur Seite gestellt werden
  • Schulungen zur Medikamentensicherheit, Medikationsfehlern und Simulationen sollten regelmäßig durchgeführt werden
  • Jeder Versorgungsbereich sollte Behandlungsstandards haben (SOP`s, SAA)
  • Diese müssen regelmäßig aktualisiert werden
  • Nicht-technische Fähigkeiten müssen trainiert werden
  • Jedes Teammitglied muss jederzeit seine Zweifel frei äußern können
  • Das gelingt nur in einer gelebten Sicherheit- und Fehlerkultur
  • Weiterbildungen in TRM/CRM erhöhen die Patientensicherheit

In den Quellen findet ihr die lange und auch kurze Leitlinie

Persönliches Fazit:

Die S2K Leitlinie Medikamentensicherheit bei Kindernotfällen unterscheidet sich nicht von allgemeinen CRM/TRM Grundsätzen. Es freut mich, dass dies auch in der Kinderheilkunde angekommt. Da Einsätze mit kritisch kranken/verletzten Kindern selten sind ist es umso wichtiger uns in diesen Ausnahmesituationen weiter zu sensibilisieren. Während wir in der Versorgung von Erwachsenen eine gewisse Routine aufbringen bringen uns Einsätze mit Kindern oft an unsere Grenzen. Klare Kommunikation, gewissenhaftes und konzentriertes Arbeiten wird leichter fallen, wenn wir ständig trainieren und unsere Handlungsfähigkeit optimieren.

Quelle

Veröffentlicht von Patrick

Patrick ist in den Mittdreißigern und lebt in Bochum. Verheiratet, (noch) keine Kinder aber eine süße Hundedame. Jede Menge Liebe und Leidenschaft für CRM/TRM, Rettungsdienst und Notfallmedizin und natürlich hochmotiviert in Sachen Ausbildung.

Ein Kommentar zu “S2k Leitlinie Medikamentensicherheit bei Kindernotfällen

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