💊 Paracetamolvergiftung 💊
Paracetamol ist eines der weltweit meistverkauften, frei erhältlichen Medikamente. Für den Hausgebrauch beliebt um Schmerzen zu bekämpfen und Fieber zu senken. Mit ca. 59 Millionen Dollar Umsatz im Jahr nur knapp hinter seinem Kollegen Ibuprofen.
Von rund 170.000 Vergiftungen und Vergiftungsverdachtsfällen im Jahr fallen über 4100 auf Paracetamol zurück. Über Zweidrittel von diesen in selbstschädigender Absicht.
In der normalen Dosierung von 500mg/ Tablette wird es für leichte bis mäßige Schmerzen wie z.B. Zahnschmerzen, Regelschmerzen oder Kopfschmerzen verwendet. Auch zur Fiebersenkung, als Saft, kennt man Paracetamol unter anderem unter den Namen „ben-u-ron“.
Erwachsene Menschen erreichen bei einer normalen Einnahme, also unterhalb der maximalen Tageshöchstdosis von 4000 mg keine toxische Dosis. Es ist also schwer, unbeabsichtigt in den toxischen Bereich zu kommen. Die tödliche Dosis liegt bei ca. 150 mg/kg Körpergewicht. Das wären bei einem 75 kg Patienten also 25 Tabletten. Daher muss bei einer Paracetamolvergiftung immer der Aspekt eines Suizids in Betracht gezogen werden.
Eine Vergiftung läuft in drei Phasen ab.
In der ersten Phase treten innerhalb der ersten 2-14 Stunden nach Einnahme gastrointestinale Beschwerden wie z.B. Unwohlsein und Bauchschmerzen auf. Führend zu erwähnen sind Übelkeit und Erbrechen. Diese können aber auch ausbleiben.
In der zweiten Phase (ca. 20-72 Std) kommt es zu einem symptomfreien Intervall. Während Transaminase und weitere Leberwerte ansteigen ist der Patient ohne Beschwerden.
Die dritte Phase beschreibt die „hepatische Phase“. Nach 72-96 Stunden erreichen die Leberwerte ihr Maximum und die hepatische Schädigung wird auch klinisch apparent.
Schwere gastrointestinale Beschwerden bis zum Ikterus, auch Nierenversagen, eine hepatische Enzephalopathie und eine akute Pankreatitis sind möglich. Selten folgt hierauf ein gefürchtetes und dann ohne Lebertransplantation oft tödlich verlaufendes fulminantes Leberversagen.
In besonders hohen Dosen ist auch ein Koma und Azidose möglich.
Der Rettungsdienst hat in der Regel in der Akutphase, also Phase 1-2 mit der Versorgung und dem Transport dieser Patienten zu tun. Natürlich ist auch die dritte Phase möglich. Meist wird die 112 aber vorher, aufgrund der beginnenden Symptome oder der Absicht eines Suizids, gerufen.
Die Therapie gestaltet sich präklinisch Symptomorientiert. Zur Anwendung kommt das klassische ABCDE Schema und Monitoring. Es zeigte sich, dass die Anwendung von Aktivkohle (innerhalb der ersten 2 Std nach Einnahme des Paracetamol) zu einem deutlich geringeren Serumlevel führt. Daher ist in Phase 1 die Anwendung von Aktivkohle möglich.
Das wohl wichtigste, um zeitliche Verzögerungen zu vermeiden ist eine genaue Anamnese.
Gerade wenn der Patient sich in der zweiten Phase befindet und man keine Dringlichkeit anhand des Zustands erkennt, neigt man evtl. zum Verharmlosen. Auch für die genaue Übergabe im aufnehmenden Krankenhaus sind diese Informationen unerlässlich. Es wäre ein absoluter Fehler den Patienten noch lange im Wartezimmer sitzen zu lassen.
Die rettende Antidottherapie sollte nämlich innerhalb der ersten 10 Std der Paracetamoleinnahme erfolgen. Um so schneller dies geschieht umso niedriger ist die Sterblichkeitsrate selbst bei Patienten mit beginnenden Leberversagen.
Das Antidot ist uns wahrscheinlich allen eher als Schleimlöser bei produktiven Husten bekannt. Das ACC (Acetylcystein). Leider führen nur die wenigsten Rettungsdienste dies mit sich und die Behandlung erfolgt daher innerklinisch.
Desweiteren muss man wissen, dass alkoholabhängige Patienten, mangelernährte Patienten und Patienten mit vorbestehenden Lebererkrankungen im Verdacht stehen, besonders gefährdet zu sein, ausgeprägte Leberschäden zu entwickeln. Dies ist bisher eine rein theoretische Annahme und nicht bewiesen. Jedoch sollten diese Patientengruppen als Risikopatienten gesehen werden.
Die Tox-Docs haben dazu einen ausführlichen Beitrag geschrieben der sehr lesenswert ist. http://toxdocs.de/2018/pcm-1/
Take-Home-Message:
- Eine „versehentliche“ Überdosierung in letalen Dosen ist kaum möglich.
- Daher immer einen Suizidversuch beachten.
- Eine sehr gute Anamnese ist der Schlüssel für ein gutes Outcome.
- Daher nicht das symptomfreie Intervall unterschätzen.
- Eine gute Übergabe an das aufnehmende KH, denn auch da sollte keine Wartezeit aufkommen nur weil der Patient ohne Beschwerden ist.
- Innerhalb der ersten 2 Std kann Aktivkohle das Serumlevel senken.
- Präklinisch die Behandlung Symptomorientiert und nach ABCDE Schema.
- Rettende Therapie mit ACC im Krankenhaus so schnell wie möglich beginnen da der Therapieerfolg umso höher ist, umso früher man beginnt.
Nice to know:
Paracetamol ist auch in vielen Kombinationspräperaten wie z.B. Buscopan Plus, Grippostad C, Wick MediNite oder Wick DayMed enthalten.
Auch Präklinisch liegt uns Paracetamol oft als Zäpfchen oder auch als Infusionslösung, z.B. Perfalgan, vor. In einigen Bundesländern ist Paracetamol für Notfallsanitäter freigegeben.
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Quelle:
Stürer A.PARACETAMOL-VERGIFTUNGEN IN DEUTSCHLAND.https://www.klinitox.de/fileadmin/DOKUMENTEPUBLIC/MITTEILUNGEN/GfKT_Mitteilung_Paracetamol_2008-03-20.pdf.Published March 20, 2008. Accessed December 10, 2018.