Polytraumaversorung im Kindesalter👧🧒🏽

Die S2K-Leitlinie 2020 zusammengefasst für den Rettungsdienst.

Die Behandlung schwerst- und polytraumatisierter Kinder stellt alle Beteiligten, ob präklinisch oder klinisch, vor große Herausforderungen. Regelmäßiges up-to-date-halten von Behandlungsstrategien, Basics und vor allem auch das praktische Training sollten selbstverständlich sein. Das polytraumatisierte Kind ist zum Glück selten und von einer Routine in der Versorgung kann daher nicht gesprochen werden.

Zwar erleiden 15% aller Kinder jährlich ein Trauma und das Trauma ist die häufigste Todesursache jenseits des 1. Lebensjahres, aber Lutz et al. fanden in ihrer Notfallambulanz nur 0,5% lebensbedrohliche Fälle, dabei bestand in 19,5% hämodynamische Instabilität, die Mortalität lag bei 7,2%.

In der internationalen Literatur wird spezialisierten Kinder-Traumazentren eine geringere Mortalität beim Polytrauma, ein besseres Überleben bei schwerem SHT und weniger Organverlust beim stumpfen Bauchtrauma zugeschrieben. Schwer verletzte Kinder werden, laut Traumaregister, in 72% der Fälle in einem überregionalen Traumazentrum behandelt. Nicht zuletzt durch eine adäquate Selektion durch den Rettungsdienst.

Auch beim schwerverletzten Kind wird zwischen einem kritischen und nicht-kritischen Zustand unterschieden. Erstere werden nach dem „primary Survey“ behandelt (cABCDE) und beinhalten lebensrettende Maßnahmen wie z.B. das Stillen bedrohlicher Blutungen und Stabilisierung des Kreislaufs, die Atemwegssicherung, die Punktion eines Spannungspneumothorax und ein schneller Transport in eine geeignete Zielklinik.

Bei nicht-kritischen kindlichen Patienten erfolgt im „secondary Survey“ eine körperliche Untersuchung unter besonderer Beachtung der Wirbelsäule.

Ziel aller unserer präklinischen Maßnahmen ist der Lebenserhalt, vermeiden oder reduzieren von Sekundärschäden wie zum Beispiel Hypoxie oder Hypovolämie.

Die Patientenversorgung geschieht auch hier immer unter der Prämisse des Zeitmanagements. Antizipieren und vorausplanen, frühzeitiges Anfordern von Verstärkung (z.B. Technik, Personal, RTH) und eine klare Führung des Einsatzes sollte selbstverständlich sein.

Es gilt also das polytraumatisierte Kind nach primärer Stabilisierung so zügig wie möglich, mit einem geeigneten Rettungsmittel in ein entsprechendes Traumazentrum einzuliefern welches unter entsprechende kindertraumatologische Kompetenz verfügt. Ausnahmen wie Wirbelsäulenverletzungen und thermische Verletzungen sollten in Spezialkliniken transportiert werden.

Zusammenfassend für die Präklinik:

  • Das prähospitale Atemwegsmanagement stellt auch bei Kindern eine zentrale the- rapeutische Maßnahme in der Primärversorgung polytraumatisierter Patienten dar.
  • Bei polytraumatisierten Kindern mit Apnoe oder Schnappatmung (f < 6) sollen prähospital eine Notfallnarkose, eine Atemwegssicherung mittels Tubus oder Larynxmaske und eine Beatmung durchgeführt werden. Zusätzlich sollte dies bei Hypoxie nach Ausschöpfung aller anderen Therapiemaßnahmen und bei SpO2 < 90% trotz effektiver Sauerstoffgabe, bei schwerem Schädel-Hirn-Trauma, trauma- assoziierter hämodynamischer Instabilität sowie schwerem Thoraxtrauma mit respiratorischer Instabilität und Hypoventilation nach sorgfältiger Nutzen-Risiko- Analyse erfolgen. 
  • Vollständiges Monitoring inklusive Kapnografie. Beatmungsparameter und Cuff-Druck erfassen.
  • Kapnografie ist ein MUSS zur Lagekontrolle eines trachealen Tubus, zur Dislokationskontrolle und zur Überwachung jeder Form einer Beatmung.
  • Es ist eine Normoventilation anzustreben.
  • Polytraumatisierte Kinder sollten mindestens einen, möglichst großlumigen, Gefäßzugang erhalten (periphervenös, alternativ intraossär).
  • Polytraumatisierte Kinder sollten, bei Hinweisen auf einen Volumenmangel, umgehend eine Volumentherapie erhalten. Ohne klinische Hinweise kann darauf primär verzichtet werden. Bei SHT ist der Normwert anzustreben (aufrechterhalten des zerebralen Perfusionsdruck).
  • Zur Volumentherapie sollten isotonische, balancierte Kristalloidlösungen eingesetzt werden.
  • Schädigende Sekundärereignisse (secondary insults) unbedingt vermeiden.
  • Eine unkontrollierte Hypokapnie (<30 mmHg endtidales CO2, bewusste Hyperventilation) sollte vermieden werden, da sie über eine massive Vasokonstriktion zu einer zerebralen Ischämie führen kann.
  • Im Rahmen der Intubation kann eine HWS-Immobilisationsschiene geöffnet werden und die HWS durch einen zweiten Helfer mittels manueller In-Line- Stabilisierung gesichert werden.
  • Lebensbedrohliche Blutungen müssen sofort gestoppt werden und haben oberste Priorität. Die Versorgung von Verletzungen, die nicht primär tödlich sind sollen versorgt werden, um weitere Schädigungen zu vermeiden, die Gesamtrettungszeit soll dadurch jedoch nicht verzögert werden.
  • Verletzte Extremitäten (auch bei Verdacht) sollen vor groben Bewegungen ruhiggestellt werden.
  • Fehlstellungen und Luxationen der Extremitäten sollen reponiert und retiniert werden.
  • Frühzeitige Gabe von Tranexamsäure erwägen.
  • Bei MANV, Triage mit auf Kinder angepasste Normwerte im Sichtungsalgorithmus.

Halten wir fest, dass auch bei der Versorgung eines polytraumatisierten Kindes ein sofortiges Stillen lebensbedrohlicher Blutungen, stabilisieren des Kreislaufs, eine suffiziente Oxygenierung und die Atemwegssicherung die Eckpfeiler der Versorgung darstellen. Der Transport darf nicht verzögert werden und sollte schnellstmöglich, unter Auswahl des geeigneten Rettungsmittel in eine geeignete Zielklinik erfolgen. Natürlich sollte die Zielklinik informiert werden mit entsprechender alarmierung für den Schockraum

Quelle:

Veröffentlicht von Patrick

Patrick ist in den Mittdreißigern und lebt in Bochum. Verheiratet, (noch) keine Kinder aber eine süße Hundedame. Jede Menge Liebe und Leidenschaft für CRM/TRM, Rettungsdienst und Notfallmedizin und natürlich hochmotiviert in Sachen Ausbildung.

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

%d Bloggern gefällt das: